top of page

Das Basler Piccolo

IMG-20210127-WA0003_edited.png
1) Einzelteile und Entstehung eines Basler Piccolos

Wenn mich in meiner Eigenschaft als Piccolobauer von Basel von Zeit zu Zeit junge Burschen und Mädchen fragen, wann denn eigentlich das Basler Piccolo «erfunden» worden sei – sie müssten in der Schule einen Vortrag halten – so gerate ich regelmässig in Verlegenheit.

Das Basler Piccolo ist als solches nie erfunden worden, sondern war ursprünglich nichts Anderes, als eine halbe «normale» Querflöte – eben eine Piccolo-Querflöte. Erste Erwähnungen fand die «flûte à l’octave» 1735 in Frankreich, wenig später in Deutschland.

 

Einige Jahre später tauchten Orchesterbesetzungen auf, die ein Piccolo vorschrieben. Während das Piccolo im Orchester sich vor allem aufgrund der revolutionären Neuerung Theobald Böhms an der Querflöte weiterentwickelte, bediente man sich in der Volksmusik und beim Militär weiterhin des bewährten, mit nur wenigen Klappen versehenen alten Modells.

In Basel tauchten erste Zeugnisse von Pfeifern erst um 1850 auf. Bis zum Zweiten Weltkrieg spielten die Pfeifer in Basel nur eine untergeordnete Rolle. Was sie heute als Pfeiferkunst geniessen können, ist das Ergebnis einer rasanten Entwicklung seit den fünfziger Jahren. Als Folge anspruchsvoller Kompositionen entstand der Bedarf nach besser gestimmten und in der tiefen Lage voller klingenden Instrumenten.

 

Mit dem 1950 aus dem St.Galler Rheintal nach Basel zugewanderten Instrumentenbauer Erwin Oesch Senior fand sich denn auch ein Spezialist, der die Wünsche der Pfeifer erfüllen konnte. Während Jahren wurde in seiner Werkstatt mit den führenden Pfeifer-Chefs und anderen Spitzenpfeifern «gepröbelt» und gesucht.

 

Nachdem Erwin Oesch Senior eine eigene Werkstätte gegründet hatte, konnte er sich dieser Aufgabe verstärkt widmen. Es entstanden damals die heute gebräuchlichen zwei Standard-Typen, die man nun mit Fug’ und Recht das Basler Piccolo nennen kann: Das vor allem für die oberen Stimmen gebrauchten «Basler Dybli» und das weiter gebohrte «Spezial» für die tiefen Lagen.

Erwin Oesch mit Hans Schneider als Essay
2) Erwin Oesch senior mit Hans Schneider als Essayeur
in der Werkstatt Gerbergasse 57,  1. Stock (1968)
20210203111302_002.jpg
3) frühe Piccolo-Produktion im Nadelberg 30 (1973)

Wenn bis ungefähr 1974 bei beiden Modellen leicht verschiedene Bohrungen gebaut wurden, so bestand meine Aufgabe - frisch von der Ausbildung als Blasinstrumentenbauer nach Hause gekehrt – nun darin, die besten Kombinationen herauszufinden, zu verfeinern und zu standardisieren.

20210207_193153.jpg
4) Erwin Oesch junior bei der Endmontage neuer Piccolos,
Modell Basler Dybli, in der Werkstatt Spalenvorstadt (1978)

Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Versuche, das bisher verwendete Korpus-Material, nämlich Grenadillholz, durch Kunststoff, wenn nicht zu ersetzen, so dann doch zu ergänzen. Das Material des Kopfstückes blieb dabei Messing, zumeist verchromt.

20210207_194206.jpg
5) Erwin Oesch junior testet, während sein Onkel Toni Hoch repariert.

Wenn das heutige «Basler Piccolo» aufgrund seiner einfachen Bauweise nicht perfekt stimmt, so beweisen Könner wie zum Beispiel Kevin Klapka, dass man (oder Frau) auch auf einfachen Instrumenten Leistungen erbringen kann, die man sich vor 50 Jahren noch nicht vorstellen konnte.

Erwin Oesch Junior

Mit freundlicher Erlaubnis:
Foto 2): Cécile Zimmer (Zeitschrift "Woche", 1968)
Foto 3): Heinrich Lukas Lindenmaier (Buch "Oesch", 1973) 
Fotos 4) und 5): André Muelhaupt (Terra Fotos, 1978)
bottom of page